Midis Besonderheit – Die Behandlung Teil 1

Natürlich wollte ich euch mit dem nächsten Teil des Berichts zu Midis Angiom nicht zu lange warten lassen. Aber wie schon erwähnt hatte ich Teil 4 bereits im Dezember geschrieben und die letzte Woche war zu aufregend und stressig, um gleich weiter zu schreiben.

Zu aller erst: Midi geht es gut! Sie ist bereits wieder bei uns zuhause und trägt nur noch einen Verband.

Aber jetzt nochmal von Anfang an:

Uns wurde gesagt, dass wir in der Zeit, in der Midi im Tiefschlaf auf der Intensivstation liegt, nicht bei ihr schlafen können. Also haben wir für diese Zeit eine Ferienwohnung in Essen gemietet.

Montags ging es los.

Zuerst mit Packen. Darin bin ich ja ziemlich routiniert aber an diesem Vormittag fiel mir das alles unglaublich schwer. Die ganze Zeit hatte ich Stephie bestärkt, dass sie sich wegen der OP keine Sorgen machen brauche und alles gut werden würde. Doch jetzt, wo wir die Koffer packen mussten und es ernst wurde, konnte ich selbst nicht mehr stark sein.

Ja, irgendwie verlangt man das doch immer noch von einem Mann, stark zu sein, wenn es nötig ist. Und auch wenn ich selbst gerne und oft solche Stereotypen brechen will, wollte ich wenigstens dieses Mal ein „echter Mann“ sein, aber das ging nicht. Spätestens als wir uns überlegen mussten, welchen Body Midi wohl am liebsten tragen würde, wenn sie dann schon alleine da liegt, brach es auch aus mir heraus.

Doch Stephie und ich haben uns dann gegenseitig bestärkt und gemeinsam den besten Body ausgesucht, Midis „Wauwau“ und die „Puppa“ als Begleitung für die OP eingepackt.

Dann ging es nach Essen, ab in die Ferienwohnung.

Dienstag mussten wir zur Aufnahme gegen 9 in der Klinik sein. Erst Papierkram, dann ab auf die Station in der HNO-Klinik.

Wir waren alle sehr aufgeregt und dementsprechend quengelig waren die Mädchen. Doch die Schwestern auf Station wussten genau, wie sie das zu handhaben hatten – sie haben mich zuerst an die Kaffeestation geschickt und die Mädels in die Küche geführt, wo sie sich jede ein Eis aussuchen durften. Für die beiden war der Tag gerettet: morgens um 10 Uhr schon Eis – das gibt’s sonst nicht!

Wir waren eigentlich nur für 3 Aufklärungsgespräche da. Das der Anästhesie lief ganz entspannt. Das zweite von einem der operierenden Ärzte war schon etwas beängstigender. Denn aus den vorerst 2 Nächten Tiefschlaf wurden plötzlich mehr. Sollte Midis Angiom zu arg auf den Erreger anspringen, könnte es sein, dass ein Luftröhrenschnitt nötig werden würde. Er erklärte uns, dass man den auf zwei Arten machen könne, bei der einen wächst der Schnitt innen sauberer zusammen, hinterlässt draußen aber eine Narbe, bei der anderen wäre es unbegütert, außen schöner, dafür innen nicht. Man würde spätestens Freitag entscheiden, ob dieser Luftröhrenschnitt nötig wäre, denn länger könnte man sie nicht intubiert lassen. Ja, da wurde mir schon ein bisschen übel. Mir waren zwei Nächte, die meine Kleine ohne uns auf der Intensivstation verbringen sollte schon zu viel, jetzt standen vielleicht noch mehr im Raum. Apropos Raum: zwischen den Gesprächen bekam Midi für die erste Nacht vor der OP ein Zimmer auf der Station. Die Schwestern kümmerten sich rührend und besorgten sogar für Maxi und mich ein zusätzliches Mittagessen. Es wäre für uns schon anstrengend genug, da müssten wir jetzt nicht auch noch in die Cafeteria und dort essen gehen, meinte eine der Schwestern.

Das dritte Aufklärungsgespräch war rechtlich eigentlich nicht nötig, doch die Ärztin, die extra aus der Schweiz gekommen war, wollte auch noch einmal persönlich mit uns sprechen. Und dieses Gespräch war so beruhigend. Sie hat quasi von 0 angefangen, uns die ganze Angiom-Geschichte noch einmal aufgedröselt, MRT Bilder gezeigt und sich viel Zeit für unsere Fragen genommen. Der Eingriff sei technisch gesehen ein sehr einfacher, es könne quasi kaum etwas schief gehen. Sehr beruhigend. Die Ärzte wollten versuchen den in der Nähe der Luftröhre liegenden Teil des Angioms nicht zu reizen. Nur der große äußere Teil soll behandelt werden, damit sank das Risiko eines Luftröhrenschnittes extrem. Es sollten mehrere Einstiche ins Angiom gemacht werden, die Flüssigkeit darin abgesaugt, der Erreger eingespritzt und gleich wieder abgesaugt werden. Danach würden sich die Außenhäute des Angioms entzünden und verkleben. Um sicherzugehen, dass sie sich auch wirklich zusammenkleben, würde ein Druckverband angelegt, den sie auch noch nach der OP weiter tragen solle. Damit sich das Angiom nicht sofort wieder füllt, wird Midi am Hals eine Drainage gelegt, über die neue Lymphflüssigkeit gleich ablaufen kann.

Nach diesem Gespräch waren wir entspannter. Wir wussten jetzt bis ins kleinste Detail Bescheid. Nach dem Abendessen verabschiedeten Maxi und ich uns von Stephie und Midi und fuhren zurück in die Ferienwohnung. Mittwoch um 10 Uhr war die OP angesetzt, dafür wollten wir rechtzeitig zurück sein, um Midi noch einmal alles Gute zu wünschen.

Am Mittwochmorgen klingelte mein Wecker und ich machte Frühstück: Toast und löslicher Kaffee – Ferienwohnung eben. Doch bevor Maxi und ich unseren ersten Toast essen konnten kam eine Nachricht von Stephie: „Die haben den Plan geändert: Midi wird um 9 operiert!“ Also hab ich alles stehen und liegen lassen, habe Maxi und mich angezogen und ab ins Auto. Im morgendlichen Berufsverkehrt haben wir es erst 10 vor 9 ins Klinikparkhaus geschafft. Jetzt mussten wir uns beeilen. Ich hab Maxi auf die Schultern genommen und bin – so schnell es der Neuschnee zugelassen hat – übers Klinikgelände gerannt. Rein in den Aufzug und – Mist – die beiden sind schon weg. „Wenn sie sich beeilen, treffen sie die beiden noch unten am OP-Zentrum“, rief mir die Schwester nach. Aufzug natürlich nicht da, also mit Maxi auf dem Arm 7 Stockwerke über die Treppen nach unten, ab ins nächste Gebäude und wieder zwei Stockwerke nach unten. „Ihre Tochter ist schon vor 10 Minuten rein gekommen! Aber wenn sie da vorne warten müsste ihre Frau gleich an ihnen vorbei laufen!“, meinte die Frau an der Information.

Na toll, zu spät. Mir stiegen die Tränen in die Augen – Midi wird jetzt 2 Tage schlafen und wir haben sie vorher nicht mehr in den Arm genommen. Auch Maxi ist geknickt: „Wo ist die Midi?“ „Die wird jetzt schon operiert. Aber wir sehen sie heute Nachmittag, ok?“, eiskalt gelogen, das Schild an der Tür der Kinderintensivstation hab ich am Tag davor schon gelesen, dass wegen der Infektionsgefahr nur Eltern und keine Geschwister rein dürfen. Aber ich wusste in dem Moment einfach nicht was ich sagen sollte. Nach weiteren 10 Minuten im Gang hin und her laufen höre ich weiter weg ein Kind weinen, weit weg und deshalb nur leise, aber ganz klar unsere Midi. Mein Herz bricht… Auch Maxi hört und erkennt sie und läuft dem Schrei entgegen, bis er verstummt. Kurz darauf kommt Stephie weinend aus einer Tür – Midi ist jetzt im OP und Maxi ist kreidebleich. Meine Unsicherheit, Stephies Tränen und Midis Weinen waren wohl zu viel. Sie klammert sich an Stephie und ist wie benommen. Wir nehmen uns alle drei in den Arm und stehen einen Moment reglos da. Dass dieser Moment Maxi richtig mitgenommen hat, ist uns spätestens dann bewusst, als sie – während Stephie und ich einen Kaffee trinken und eine Kleinigkeit frühstücken – ihr Eis unangetastet liegen lässt. In dem Moment bricht mir mein Herz zum zweiten Mal an diesem Morgen. Aber es bringt ja nichts, die ganze Zeit Trübsal zu blasen. Niemand konnte uns wirklich sagen, wie lange die OP dauern würde, also gingen wir zurück auf unser Zimmer und warteten.

Nach etwa 3 Stunden kam einer der behandelnden Ärzte mit einem Strahlen im Gesicht herein.

Er berichtete ganz euphorisch, dass die OP sehr gut gelaufen ist. Es wurden mehrere Einstiche in Midis Angiom gemacht und sehr viel Flüssigkeit abgesaugt – „Das wäre für einen Erwachsenen schon viel gewesen, aber für so ein kleines Kind…“, sagte der Arzt. Wir könnten uns entspannen, Midi sei auf dem Weg auf die Intensivstation, wo gerade so viel los sei, dass wir die nächsten 3 Stunden erstmal nicht hingehen sollen.

In dem Moment ist die ganze Anspannung der letzten Tage von uns abgefallen und wir beschlossen, für einen gemeinsamen Mittagsschlaf in die Ferienwohnung zu fahren um später für Midi fit zu sein. Etwa eine Stunde später waren wir in der Wohnung und Maxi und Stephie gerade eingeschlafen, als mein Telefon klingelte: „Hallo, Schwester Soundso aus der Kinderintensivstation. Die Werte ihrer Tochter sind so gut, dass wir ihr gerne den Tubus ziehen und sie aufwecken würden. Kommen sie rüber?“ Hä? Was ist aus den zwei Nächten Tiefschlaf geworden? Während mir die Schwester erklärte, dass, da die OP ja ohne Komplikationen war und man den tiefliegenden Teil des Angioms nicht gereizt hat, man nicht mehr davon ausgeht, dass es zu einem Verschluss der Luftröhre kommt, weckte ich Stephie und Maxi. „Wir sind in spätestens 40 Minuten da!“, sagte ich, als wir halb angezogen aus der Tür stolperten.

So irgendwie hat mich hier die Müdigkeit übermannt und ich bin noch nicht weiter gekommen. Ich bemühe mich um baldige Fortsetzung!

13 Gedanken zu “Midis Besonderheit – Die Behandlung Teil 1

  1. Lieber Georg, ich bin eine stille Mitleserin aber diese ganze Geschichte rührt mich so sehr Was müsst ihr 4 und weitere Angehörige seelisch mitgemacht haben. Mich zerreißt es ja schon beim lesen. Ich wünsche euch alles Gute, dass es sich entwickelt, wie ihr es euch wünscht und alles schnell vorbei geht! Liebe Grüße Sandra

  2. Ich sitze hier am Frühstückstisch und musste eben sehr stark mit mir kämpfen, damit ich nicht rotz und Wasser heule. sehr packend geschrieben, ich kann es so gut nachvollziehen!
    Zum Glück ist alles gut gelaufen. Ich drücke weiterhin die Daumen.

  3. Lieber Georg,

    ich bin sehr froh deine Seite gefunden zu haben. Ich bin gerade in einer sehr ähnlichen Situation.
    Meine kleine hatte die Sklerosierung jetzt am Mittwoch. Sie hat das Angiom ebenfalls am Hals.
    Daher bin ich sehr gespannt wie deine Geschichte weitergeht.
    Es freut mich sehr das eure kleine das so gut meistert.
    LG

  4. Was ihr da mit eurer älteren Tochter gemacht habt, ist unter aller Würde. Warum setzt man ein kleines Kind solch einer Situation aus??? Warum nimmt man sie mit ins Krankenhaus und tut ihr diesen Stress an – furchtbar!

    • Hallo „Jemand“ (bei so einem Kommentar wäre doch ein Name nett gewesen),
      Wir haben lange abgewägt, wie wir diese Woche verbringen: Stephie und Charly alleine in Essen, ich und Charly alleine in Essen, Stephie, Midi und ich in Essen und Maxi bei Oma oder eben alle zusammen in Essen. Und für uns als Familie war der gemeinsame Aufenthalt das Richtige! Stephie und ich wollten auf jeden Fall gemeinsam vor Ort sein, sollten schwierige Entscheidungen anstehen und so wie wir Maxi kennen, wäre es für sie „unter aller Würde“ gewesen, wenn wir sie abgeschoben hätten.
      Aber Danke für deinen Kommentar und deine Genesungswünsche!
      Liebe Grüße

      • Hallo Georg,
        ich finde ihr habe genau richtig entschieden. Als Familie zusammenhalten und gemeinsam nach Essen zu fahren. Ich hätte es nicht anders gemacht.
        Folge dir ja auch auf Instagram und in kurzen Worten: Ihr seid eine tolle Familie.
        Für Charly wünsche ich euch weiterhin alles Gute.
        Ich weiß was es heißt ein Kind im Krankenhaus zu haben. Meine Tochter hatte als Kindergartenkind durch umgefallenen Tee im Kindergarten eine Verbrühung und ich war mit ihr drei Wochen im Krankenhaus…da erlebst du als Eltern die Hölle auf Erden 🙁
        Liebe Grüße
        Heike

  5. Hallo Georg,

    Mich rührt dein Geschriebenes sehr! Davon mal abgesehen, dass es Charlie scheinbar gut geht/erging, bin ich so unheimlich glücklich etwas so Positives über die Pflegenden im Krankenhaus zu hören. Ich gehöre zu der Gilde & ich freue mich wirklich immer wieder etwas so Nettes zu lesen.

    Meine Schwester war als kleines Kind ganz oft im Krankenhaus und ich war immer mit dabei (unser Papa war viel im Ausland). Ich habe dadurch keine größeren Schäden erlitten. Kinder gehen mit solchen Situationen und mit kranken Menschen viel offener und empathischer damit um, als manche Erwachsene!

    Alles Gute für euch & liebe Grüße

  6. Hallo Georg, erstmal chapeau du hast Talent Gefühle in Worte zu fassen. Außerdem finde ich es klasse wie liebevoll du immer schreibst und man merkt wie ihr euch immer versucht in alles hinein zu versetzen. Auch wenn manche es vielleicht anders gemacht hätten, habt ihr es für euch genau richtig gemacht und wenn nicht dann lernt man daraus und macht es ein anderes mal ( was hoffentlich nicht kommt) anders. Wir alle sind auf der Welt um unser Bestes zu geben und an Fehlern zu wachsen. Ich bin sonst nur stille Mitleserin aber ich wollte einfach mal eine kurze Nachricht da lassen. Ich finde es toll das du manche Kommentare nicht an dich ran lässt, das ist wichtig. Ich hab manchmal das Gefühl das manche vergessen was Menschlichkeit bedeutet geschweige denn versuchen sich emphatisch zu verhalten. Ich jedenfalls wünsche euch von Herzen alles Gute und freue mich ab und zu von Euch zu lesen.

  7. Lieber Georg, was für eine herzzerreißende Geschichte! Ich fühle unbekannterweise mit Euch 🙏 und freue mich sehr, dass deine Midi gefühlt sehr glücklich im Hintergrund Deiner Storys ist. Über eine Fortsetzung würde ich mich sehr freuen, falls Du das emotional und zeitlich selbstverständlich hin bekommst.
    Ganz liebe Grüße an Dich und Deine Familie ♥️.

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